„Du kannst keine Technik auf etwas aufbauen, was sich sehr unangenehm anfühlt.“
Das sagte unser Ausbilder bei der MovNat-Trainerzertifizierung, als wir an den Stangen hingen und uns vorbereiteten für Techniken, die uns auf das Hindernis bringen sollten. Unterstützungspunkte sollten wir wahrnehmen und nutzen, Spannung nur dort halten, wo wir sie tatsächlich brauchten. Klingt wie eine Anleitung für ein gelingendes Leben?
Entspannung ist ein Schlüssel auf dem Weg der Künste. Das zeichnet MovNat, Yoga, Kampfkunst (alle Künste) aus – ebenso die Meditationswege.
Hindernisse ausräumen
Anspannung, körperliche Unannehmlichkeiten, sie alle sind Hindernisse auf dem Übungsweg. Allein das Wort „Unannehmlichkeit“ – ein Zustand, eine Haltung, etwas, was wir nicht annehmen können oder wollen, und entsprechend reagieren wir darauf: mit Spannung, Widerstand, Vermeidung. Kein guter Ausgangspunkt.
Wenn wir in der Meditation oder im Yoga Gegenwärtigkeit üben, üben wir Präsenz bei dem, was ist. Das heißt allerdings nicht, dass die Übung „Schmerzen aushalten“ lautet. Deshalb legen Zen und Yoga großen Wert auf die richtige Sitzhaltung. Der Sitz soll stabil aber entspannt sein.
Wie also können wir konkret mit dem Hindernis körperlicher Unannehmlichkeiten arbeiten?
Wie schaffen wir im Körper Raum für Entspannung, um darauf aufzubauen?
Entspannung im Körper fördern
Viele konkrete Werkzeuge stehen uns bei den Übungen zur Verfügung: Regressionen (fang einfacher an), Unterstützungsmittel (z.B. ein höheres Sitzkissen), Technik- und Wahrnehmungstraining (z.B. oben erwähnte Unterstützungspunkte), plus natürlich Übung, Übung, Übung.
Andere, subtilere Werkzeuge haben wir dabei oft weniger auf dem Schirm. Manchmal hilft es schon, die Augen zu entspannen. Wenn sich die Augen entspannen, entspannt sich auch der Körper. Oder ein inneres Lächeln löst ein Echo im Körper aus. Einfach mal ausprobieren; das geht in fast jeder Lebenssituation.
Entspannung im Geist: Qual ist Wahl
„Watch your feelings!“, sagten die Sunmudo-Mönche immer und immer wieder zu meinem Meister. An welche Gedanken pappe ich mich an? Welchen Gefühlen gebe ich Raum? Mache ich Geschichten aus der Unannehmlichkeit? Aus dem, was nicht klappt, wo ich nicht hinkomme, nicht genüge, wo es drückt? Schwingt mein Geist die innere Peitsche oder die Taschentücher? Heize ich meine Gedanken („Das ist unangenehm“, „Das ist anstrengend“, „‘Das hab ich noch nie gekonnt“, „Wieso geht das nicht mehr, das ging früher doch auch?“, „Ich kapier’s nicht“) immer weiter an und mache damit aus einer Mücke einen Elefanten?
Manchmal mögen rationale „Gegen-Gedanken“ funktionieren, um die innere Drama-Queen oder den Drama-König zu besänftigen: z.B.: „Wenn du glaubst, du kannst nicht mehr, bist du erst bei 60%, also alles im grünen Bereich.“ Oder eine selbstreflektierende Frage, wenn man in einer Kriegerposition oder Liegestützstellung meint, die Muskulatur würde gleich explodieren: „Ist das jetzt tatsächlich so schlimm, wie mein Denken tut?“ Oder eine geistige Umwidmung: Man kann das zumeist ja harmlose Zittern im Boot (Navasana) auch einfach mal interessant finden.
Eine andere Möglichkeit richtet sich darauf, das eigene angespannte Wollen zu überprüfen. Vielleicht hänge ich einfach nur hier für den Moment. Finde den Punkt, wo ich ohne Unannehmlichkeit in dieser Position sein kann, und übe hier, anstatt die ganze Zeit im Geist mehrere Schritte weiter zu sein und schon oben auf der Stange sitzen zu wollen. Es ist der Abstand zu meiner Erwarung, der dann meine Unnanehmlichkeit vergrößert. Warum nicht mal ausprobieren, wie es ist, sich dort einzurichten, anzukommen, wohlzufühlen, gelassen zu werden und zu üben, wo man ist, bis das Hindernis schrumpft? Darauf vertrauen, dass sich Dinge entwickeln werden? Damit sich Dinge entwickeln, brauchen sie Raum. Enge (Anspannung) hilft meist nicht.
Entspannung über den Atem
Zuletzt der Atem. Ein ruhiger, ohne Hindernisse fließender Atem durch die Nase ein und aus wirkt einerseits physiologisch entspannend auf den Körper. „Never sacrifice breath for practice“ hörte ich im Yoga immer wieder. Niemals den Atem der Praxis opfern. Auch in Sunmudo ist das Ziel, durch die anspruchsvollsten Läufe durchzugehen und am Ende dennoch in der Lage zu sein, mit drei langen, ruhigen S-Lauten den Lauf zu beenden. Ähnliches gilt auch beim Bergwandern. Aus der Puste zu sein ist kein Zeichen guter Leistung.
Ein ruhiger, tiefer Atem fokussiert uns ferner in unserem unteren Zentrum – dem Zentrum der Schwerkraft, dort wo Kraft, Ruhe, Balance, Stabilität, Bewegung ihren Ursprung finden.
Drittens zielt das bewusste Wahrnehmen jeden Atemzugs abermals auf den Geist: Wenn wir den Atem als Anker für unseren Geist nehmen, hat das Denken weniger Macht und keinen Raum, herumzuheulen oder zu toben. Ein im Atem verankerter Geist hält uns davon ab, Gedanken und Gefühle wie oben beschrieben anzuheizen, Geschichten aus ihnen zu machen. Er ist mit der Wahrnehmung des Atems „ruhiggestellt“. Selbst dann noch, wenn der Atem schneller wird.
In anspruchsvollen Balance-Übungen lässt sich z.B. wunderbar beobachten, wie sich ein auf den Atem zentrierter Geist auswirkt.
Entspannte Basis: Relax.
Wenn wir all diese Werkzeuge auf der Matte, an der Stange, auf dem Sitzkissen oder wo auch immer geübt und zu nutzen gelernt haben, dann bringen wir sie in den Alltag. Denn dort gehören sie hin: ins Leben und das Genießen des Moments. Hindernisse tauchen immer wieder auf, aber wir können lernen, mit ihnen umzugehen und von einer entspannteren Basis aus den nächsten Schritt angehen.
In dem Sinne: Relax.