Im Sammelsuriumslauf meines Lebens war ich Archäologin und Wissenschaftlerin, Schriftstellerin, habe im Ausland gelebt, Fremdsprachen gelernt und Prosa-Texte in verschiedenen Sprachen verfasst. Das führt zu einer gewissen Sensibilität, was unseren Sprachgebrauch beinhaltet. Das gilt auch für den Bewegungsbereich und wie wir darin unsere Erfahrungen mitteilen.
Ich schätze es nicht, wenn Leute im Yoga- oder Kampfkunst-Unterricht von vage-wabernden Qi- oder Prana-Erfahrungen erzählen, als hätten sie gerade eine Stufe auf dem Weg der spirituellen Himmelsleiter erklommen, weil sie das Wort benutzen. Das hat mehrere Gründe.
Qi & Prana – Worthülsen oder Meisterschaft?
Ein Grund ist die Demut vor einer Sprache, die nicht Muttersprache ist, und einer Kultur, deren Andersartigkeit wir erst zu erahnen beginnen, wenn wir einige Jahre in ihr gelebt und ihre Sprache auf sehr hohem Niveau gelernt haben.
Sprache formt unsere Welt. Viele Begriffe sind zwischen verschiedenen Sprachen nicht wirklich übersetzbar, und es ist oft schwer zu begreifen, was manches Wort in einer Fremdsprache tatsächlich beinhaltet. Dies gilt schon zwischen Deutsch und Englisch, aber insbesondere dann, wenn sehr unterschiedliche kulturelle Hintergründe im Raum stehen.
Qi und Prana sind Begriffe für deren natürliches Erfassen uns die Muttersprache sowie der kulturelle Nährboden fehlt. Wenn man mal einen Vortrag gehört hat, wie den Begriff Qi im Chinesischen verwendet wird, ist das recht erhellend – und im Zweifelsfall entmystifizierend. Esoterisch wird er eher erst im Westen, weil wir ihn auf eine bestimmte Art verwenden – herausgerissen aus seinem natürlichen Umfeld, umgebettet in fremde Erde.
Anders gesagt: das Prinzip dahinter mag vielleicht universell sein, doch das Wort ist es nicht.
Vielleicht glauben wir, mit diesen Fremdbegriffen konkret zu sein, da wir spüren, wie unsere Worte immer nur Näherungen sind. Aber das ist eine Flucht in eine Worthülse, kein Zeugnis von Meisterschaft.
Bewegung, Sprache und Ausdruck
Zwei Menschen, die über Meditation in Bewegung sprechen, sprechen mit Sicherheit nicht über ein und dasselbe. Deshalb ist es oft hilfreich, solche Begriffe definieren, was jeder konkret in diesem Moment unter „Meditation“ versteht. Am wertvollsten ist es, sich Schilderungen, Bilder und Begriffe zu bedienen, die sie so lebendig und konkret wie möglich sind.
Sprache (und Storytelling) stehen für unsere menschlich kleinen wie großen Versuche, das Leben, die Wirklichkeit, so gut es geht zum Ausdruck zu bringen. Sich dieser Herausforderung nicht zu stellen, sondern sie zu umschiffen mit Fremdbegriffen wie Qi oder Prana ist oft mehr Ausweichen als ein Ausdruck der Fähigkeit oder des Strebens nach tiefer, eigener Klarheit. Denn erst wenn wir erklären, benennen können, was passiert, gehört uns eine Erfahrung, eine Erkenntnis, eine Bewegung wirklich. Das ist die Klarheit, die in der Meisterschaft zutage kommt und sich nicht nur in der Bewegung ausdrückt sondern auch in der Art, wie wir über sie sprechen.
Lebendig und konkret beschreiben
Nutzen wir doch das, was uns Geschichten, Essays oder Lyrik lehren: werden wir konkret. Finden wir einen Weg, unseren Weg, das Unsagbare in Worte zu kleiden. Wahrscheinlich wird uns dieser Weg dahin führen, noch besser hinzuschauen.
»Wie eine Dusche, die unter der Haut meine Wirbelsäule entlangläuft», habe ich letztens gehört. Fast immer, bei denen, die lange und achtsam trainieren, kommt früher oder später etwas Konkretes, sogar von Leuten, die sich zunächst oft nicht trauen, etwas zu sagen, weil ihnen, so denken sie, die Sprachgewalt fehlt. Aber wir müssen nicht immer Goethe sein, um uns mit Fülle ausdrücken zu können. Wir müssen vor allem wahrhaftig sein. Dazu zählt allerdings auch die Wahrhaftigkeit gegenüber der Tatsache, dass die meisten von uns keine Inder oder Chinesen sind.
Suche nach Ausdruck: ein Weg in die Tiefe
Also: Vorsicht mit Qi- oder Prana-Platitüden. Von Qi und Prana zu reden, ist der leichte Weg. Werden wir stattdessen lebendig konkret. Auch wenn es ein Ringen um Worte ist. Kämpfen wir um die Worte, die Sätze, die Klarheit. Sie werden uns tiefer führen.
Wenn die Demut bleibt, dass wir unsere Erfahrungen nicht einmal in unserer Muttersprache lässig ausdrücken können, steht das Wesentliche sowieso im Raum. Es echot zwischen den Zeilen, den Worten, im Tonfall, in der Demut selbst. Das ist der eigentliche Weg.